Über das Format eines Briefes oder eine unvergessliche Erzählung von Tschechow / Wanka / 1886
- iva
- 20. Nov. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Als schriftlicher Teil der Prüfung B1 müssen meine Schüler einen Brief schreiben. Die Lehrer haben die Aufgabe, den Teilnehmern zu erklären, dass jeder Brief ein Format hat - man MUSS oben links mit seiner eigenen Adresse anfangen, dann folgt unten die Adresse vom Empfänger, Ort und Datum stehen oben rechts, /Betreff, bei formellen Briefen/ Anrede und zum Schluss Grüsse und Vor-und Nachname sind auch obligatorisch.
Wenn es so weit ist, die Form des Briefes zu erklären, denke ich jedes Mal an die brillante Erzählung von Tschechow: “Wanka“.
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...Wanka Shukow, ein neunjähriger Junge, den man vor drei Monaten zu dem Schuster Aljachin in die Lehre gegeben hatte, legte sich in der Weihnachtsnacht nicht schlafen. Er wartete ab, bis die Meistersleute mit den Gesellen zur Frühmesse gegangen waren, und holte dann aus dem Schrank des Meisters ein Fläschchen mit Tinte und einen Federhalter mit einer verrosteten Feder. Dann legte er ein zerknittertes Blatt Papier vor sich hin und begann, einen Brief an seinen Großvater zu schreiben. Seine Eltern sind verstorben, glaubt er. Wanka:
"Lieber Großvater Konstantin Makarytsch! Ich gratuliere Euch zu Weihnachten und wünsche Dir vom lieben Gott alles Gute. Ich habe ja keinen Vater und keine Mutter mehr, nur Du allein bist mir geblieben. Hol mich hier raus!...“
(Ich möchte hier nicht die ganze Erzählung wiedergeben... Sie ist ein Meisterwerk.📃)
„...Wanka faltete das beschriebene Blatt viermal und steckte es in den Umschlag, den er am Vortag für eine Kopeke gekauft hatte... Er überlegte einen Augenblick, tauchte die Feder ein und schrieb als Adresse: „An den Großvater im Dorf.“
Darauf kratzte er sich, dachte nach und fügte hinzu: „Konstantin Makarytsch.“
Anton Pawlowitsch Tschechow war ein russischer Schriftsteller, Novellist und Dramatiker. 1860-1904
@Martin: Adresse des Empfängers nicht vergessen!!!
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